第60回ドイツ文化ゼミナール開催のご案内(申込締切延長)   参照数:1045

第60回ドイツ文化ゼミナール開催のご案内
【申込締切延長】

 第60回ドイツ文化ゼミナールをドイツ学術交流会(DAAD)との共催で,下記のとおり開催いたします。発表・討議はドイツ語で行います。
: Religiöse Erfahrung (詳細は下記のThemenbeschreibungを参照) 招待講師: ユッタ・エミング教授(ベルリン自由大学) : 2018年3月11日(日)− 16日(金) : リゾートホテル蓼科(旧アートランドホテル蓼科) http://resort-hotel-tateshina.jp : 45,000円程度(学生・院生・非常勤職の方には参加費補助があります) : 45名程度 申込締切: 2017年10月20日(金)11月18日(土)(定員に達し次第,締切ります)  参加ご希望の方は2017年10月20日(金)11月18日(土)までに, Eメールか葉書で日本独文学会にお申し込みください。 1. Eメールの場合:下記の申込フォームをダウンロードし、必要項目をご記入の上、メールに添付して kulturseminar60@jgg.jp にご送付ください。 ⇒【申込フォーム(Anmeldeformular_60.xlsx上記のリンクでうまく開けない場合はこちらから: https://1drv.ms/x/s%21AvC0tGtxJL-KaELMKFP5HCfncXs 2. 葉書の場合:裏面に「文化ゼミ参加希望」と朱書の上,氏名,所属機関,現職(参加費補助の関係上,学生・院生および常勤職のない方はその旨を明記),住所(漢字・ローマ字併記),電話番号,メールアドレスを次の宛先にご送付ください: 〒170-0005 東京都豊島区南大塚3-34-6 南大塚エースビル603 日本独文学会 日本独文学会会員以外の方が申し込む際は日本独文学会会員(学生・院生の場合は指導教員)の紹介が必要です。紹介者の氏名をお知らせください。また他に略歴,参加希望理由(400字程度),業績リスト(研究業績がある方)を申し込み時に提出してください。非学会員の参加費は55,000円です。  なお,参加は原則として申し込み順に受け付けますが,最終的な選考は理事会にお任せください。 研究発表希望: ドイツ語による30分程度の発表を希望される方は,題目および要旨(独文400語以内)に簡単な履歴を添えて,2017年10月20日(金)11月18日(土)までに実行委員会(kulturseminar60@jgg.jp)にお申し出ください。なお,発表者の決定は実行委員会に御一任願います。
日本独文学会・ドイツ文化ゼミナール実行委員会 Stefan BuchenbergerMarcus ConradWieland Eins (DAAD) 磯崎康太郎片山由有子小林和貴子香田芳樹(委員長) 宮下みなみ西尾宇広Eberhard Scheiffele



Themenbeschreibung:
Religiöse Erfahrung
„Wer Wissenschaft und Kunst besitzt, hat auch Religion; Wer jene beiden nicht besitzt, der habe Religion.“ (Goethe: Zahme Xenien) Wohl kann man aus diesen Versen Goethes allgemeingeltende positive sowie negative Einsichten in die Religion herauslesen, nämlich Religion als Voraussetzung für die menschlichen kulturellen Tätigkeiten und/oder als Kompensation mangelnder geistiger Bildung. Diese Aporie hat seit der Zeit der Aufklärung in der europäischen Geistesgeschichte besonders heftige Debatten ausgelöst, welche sich über die kirchliche Institution hinaus direkt auf die Frage nach der Aufgabe der Literatur bezogen haben: ob ein Schriftsteller Befürworter eines im religiösen Sinn gerechten Lebens und Förderer der sittlichen Erbauung sein solle. Der Streit um Religion und Literatur bestätigt jedoch – paradoxerweise – umso deutlicher eine feste Verbindung der Wissenschaft-Kultur-Religion-Triade. Auf der anderen Seite scheinen in unserer Gesellschaft religiöse Traditionen zunehmend in Vergessenheit zu geraten. Immer mehr Schulabgänger nehmen ein literaturwissenschaftliches Studium auf, die in Schule oder Elternhaus keinerlei christlich-religiöse (Aus-) Bildung mehr erfahren haben. Dadurch fehlen ihnen Grundkenntnisse über biblische Narrationen, religiöse Symbole, Motive und Figuren, über die Bedeutung von Konzepten wie Schuld, Reue oder Gnade, die für frühere Studierenden-Generationen noch als selbstverständlich vorausgesetzt werden konnten. Dabei ist die deutsche Literatur seit dem Mittelalter in hohem Maße von christlich-jüdischen Erzählmustern und Glaubensinhalten geprägt. Literatur, bildende Kunst sowie visuelle Medien auch der Moderne sind ohne Kenntnis der christlich-jüdischen Tradition größtenteils unverständlich. Das Symposium soll diesen Zusammenhang mit Blick auf literarische Texte vom Mittelalter bis zur Gegenwart erhellen. Dabei soll insbesondere deutlich werden, dass religiöse Themen auf dem Weg in die Moderne keine zunehmende literarische ‚Säkularisierung‘ erfahren, sondern dass sich religiöses und weltliches Erzählen durch die Jahrhunderte hindurch in wechselnden Formen beeinflusst und inspiriert. Für das Mittelalter ist hier zum Beispiel an die ‚Liebesreligion‘ in Gottfrieds von Straßburg Tristan zu denken oder an die ‚Abenteuererzählungen‘; für die Moderne an die Re-Aktualisierung von Geschichten um Sünde, Versuchung und Erlösung, die Auseinandersetzung mit der christlichen Institution der Ehe oder die Vorstellung einer erlösten Natur. Die Glaubensspaltung des 16. Jahrhunderts, der Dreißigjährige Krieg und die sich ausdifferenzierenden konfessionellen Gegensätze in Politik und Geistesleben finden besonderen Widerhall in der stark religiösen Prägung der frühneuzeitlichen Literatur. Jedoch auch weit darüber hinaus haben ebenso in den folgenden Jahrhunderten unterschiedliche konfessionell bestimmte Sozialisationsformen neue Weisen der Innerlichkeit, neue Konzepte von Ehe, Liebe und Familie und neue Entwürfe literarischer Helden hervorgebracht, die bis in die Gegenwart fortwirken. Während des Symposiums soll es nicht darum gehen, theologische Grundsatzfragen zu diskutieren. Das Leitthema der ‚religiösen Erfahrung‘ macht vielmehr einen mehrfach codierten Kontext auf: Es bezieht sich auf die christliche Kultur als allgemeinen Erfahrungshintergrund der europäischen Gesellschaften, hier des deutschsprachigen Raums zwischen Mittelalter und Moderne; auf Prägungen einzelner Schriftsteller, die sich thematisch und konzeptionell in ihrem Werk niedergeschlagen haben (z.B. das Judentum für Kafka); auf religiöse Erfahrungen, von denen in literarischen Texten erzählt wird; schließlich auf religiöse Erfahrungen, welche einzelne Texte oder Gattungen den Rezipienten bereiten wollen (mystische Literatur, geistliches Spiel). Hier wird die Performativität von Literatur eine wichtige Rolle spielen. Kurz gefasst ließe(n) sich als Untersuchungsgebiet die Frage(n) formulieren, welche typischen Figuren, Themen, Emotionen und Leitgedanken, Konflikte und Konfliktlösungen, aber auch Genres, Erzählmuster, Motive und Ästhetiken die religiöse Erfahrung vom Mittelalter zur Moderne strukturieren und als solche in literarischen Texten behandelt werden. Für Gruppenarbeiten und Vorträge kommen folgende Themenkomplexe und Lesetexte in Frage. Diese gelten als voraussichtliche Vorschläge. Die endgültige Entscheidung über die Tagesthemen und Arbeitstexte wird erst im Oktober fallen: 1) Biblische Figuren und Figurenkonstellationen. Dazu gehören die – vielfach konkurrierenden – männlichen Heldenbilder des Ritters oder Weltmannes, Gelehrten oder Intellektuellen und des Künstlers, ferner Weiblichkeitsentwürfe entlang der kontrastierenden Figuren von Eva und Maria; die Figur des Teufels und die mit ihm verbundenen Themen der Maskierung, Versuchung und Verführung (z.B. Faust-Stoff); große Sünder und ihre Erlösung (Hartmann von Aue, Gregorius; Th. Mann, Der Erwählte); der Sündenfall als ‚Urszene‘ verwerflichen Erkenntnisstrebens und ihre Konsequenz für Wissens- und Reiseerzählungen; Opfer-Figurationen, besonders die des schuldlosen Opfers und des Sündenbocks. Textvorschläge: Hebbel, Judith; Hofmannsthal, Das Salzburger große Welttheater; Walter Jens, Der Fall Judas; Th. Mann, Doktor Faustus u.a. 2) Krankheit, Schmerz und Gewalt. Dieser Konnex, der mit dem Thema des Opfers einen Überschneidungsbereich zum ersten Punkt aufweist, ist von eminenter Bedeutung für die jüdische und christliche Erzähltradition. Dies zeigen prominent die Hiob-Geschichten von der Bibel bis zu Joseph Roth. Krankheit wird im christlichen Horizont vielfach als Auszeichnung und Prüfung verstanden, die neue Opfer erfordern kann (Hartmann von Aue, Der arme Heinrich). Seelischer und körperlicher Schmerz können als Erkenntnismedium und als Weg zu Gott (geistliches Spiel und Märtyrerlegenden) aufgefasst werden. Textvorschläge: Gryphius, Thränen des Vaterlandes; Kafka, In der Strafkolonie u.a. 3) Offenbarung und Geheimnis. Neben der exemplarischen und lehrhaften Seite ist Christen- und Judentum als Offenbarungsreligionen eine esoterische und geheimnisvolle Seite eigen. Denn Gott offenbart sich im Wort, aber auch in der Schöpfung oder im Wunder, und dies ist im allgemeinen auslegungsbedürftig. Literarisch und ästhetisch wird diese Tendenz hoch produktiv. Dies zeigen etwa die frühneuzeitlichen Traditionen des Hermetismus, der alchemischen und religiösen Lyrik, aber auch die vielen ‚Zwischenfiguren‘ des Dämonischen von der höfischen Literatur bis zur Romantik, die Erscheinungsformen des Unheimlichen, Wunderbaren und Phantastischen. Textvorschläge: Schiller, Der Geisterseher; Fouqué, Undine und Thüring von Ringoltingen, Melusine u.a. 4) Religiöse Erfahrung im Verhältnis zu Sprache und Schrift. Diese Problematik hat Dichter ebenfalls über die Epochen hinweg beschäftigt. Denn Sprache und Literatur werden ebenso als Medium der Annäherung an Gott wie als Ausdruck der unüberwindlichen Distanz zu ihm konzeptualisiert. Diese Spannung hat in der Mystik ihren eindrücklichsten literarischen Niederschlag gefunden. Interessant ist zudem, dass sich Entlehnungen und Überschneidungen zwischen religiösen und weltlichen Liebes- und Kunstdiskursen verfolgen lassen (Minnesang, Tristan, Ekphrasen). Weil etwa die Liebestheologie auch Affinitäten zu modernen emotions- und psychoanalytischen Ansätzen erkennbar werden lässt, kann hier exemplarisch deutlich werden, dass die Themen der Tagung auch methodologische Fragestellungen aufwerfen: Wie verhalten sich religiöser und erotischer Diskurs zueinander, wie historischer Gegenstand und moderne Theorie? Lässt sich über religiöse Themen auch ironisch schreiben, und was bedeutet das? Textvorschläge: Gottfried von Straßburg, Tristan; Musil, Der Mann ohne Eigenschaften; Aichinger, Französische Botschaft u.a. 5) Lobpreis und Kritik zum Werk Gottes. Um festzustellen, dass die Welt als Werk Gottes gut sei, muss die Existenz des Negativen in der Welt mit der Vorsehung Gottes in Einklang gebracht werden. Vor diesem Hintergrund sind Leibniz’ Bemühungen zu sehen, die Annahme eines guten und allmächtigen Gottes durch seine „Theodizee“ zu rechtfertigen, oder Goethes Versuche, mit seinen widersprüchlichen Figuren wie Faust und Mephisto die Paradoxie zu lösen. In diesem Zusammenhang können literarische religiöse Erfahrungen bzw. Aussagen sowohl als konventionelle Glaubensbekenntnisse wie auch als Kritik an bestimmten Weltbildern verstanden werden. Ebenso können in der fiktionalen Literatur selbstverständlich auch prinzipiell religionskritische Haltungen zum Ausdruck kommen. Textvorschläge: Geistliche Gedichte des 16. Jhs.; Droste-Hülshoff, Das Geistliche Jahr; Goethe, Bekenntnisse einer schönen Seele; Brecht, Der gute Mensch von Sezuan u.a. Frau Prof. Dr. Jutta Eming ist Professorin für Ältere Deutsche Literatur und Sprache an der Freien Universität Berlin (seit 2009). Sie ist dort u.a. Sprecherin des Interdisziplinären Zentrums „Mittelalter - Renaissance - Frühe Neuzeit“ (seit 2011) und leitet das Projekt „Das Wunderbare als Konfiguration des Wissens in der Literatur des Mittelalters“ im Sonderforschungsbereich „Episteme in Bewegung“ (seit 2012). Zu ihren aktuellen Forschungsschwerpunkten gehören Romane des Hoch- und Spätmittelalters, geistliches Spiel und Novellistik; Gattungstheorie, Gender Studies, Theorien des Wunderbaren und Theorien des Performativen sowie Emotion, Wissen und Zeitlichkeit in der Literatur des Mittelalters. Publikationen (in Auswahl) 2016: Maria Magdalena und das Skandalon der weiblichen Gottesnähe. In: ‚Gotteslästerung‘ und Glaubenskritik in der Literatur und den Künsten, hg. v. Thomas Koebner et al., Marburg, S. 56-72. 2015: Emotionen im ‚Tristan‘. Untersuchungen zu ihrer Paradigmatik, Göttingen. 2015: Das Heilige in der Neuen Welt: Sarah Ruhls Passion Play: A Cycle und Tennessee Wiliams’ Orpheus Descending. In: European Medieval Drama 17, S. 117-139. 2015: Aus den swarzen buochen. Zur Ästhetik der Verrätselung von Erkenntnis und Wissenstransfer im Parzival. In: Magia daemoniaca, magia naturalis, zouber. Schreibweisen von Magie und Alchemie in Mittelalter und Früher Neuzeit, hg. v. Jutta Eming et al., Wiesbaden, S. 75-99. 2014: Gewalt als Kommunikation im geistlichen Spiel. In: Power and Violence in Medieval and Early Modern Theater, hg. v. Cora Dietl et al., Göttingen, S. 11-29. 2006: Emotion und Expression. Untersuchungen zu deutschen und französischen Liebes- und Abenteuerromanen des 12.-16. Jahrhunderts, Berlin/New York.