Zweites Internationales Kolloquium. ---Resümees   参照数:5901

 

 

Zweites Internationales Kolloquium  

der Japanischen Gesellschaft für Germanistrik

 

Konzepte der Landschaft in Ost und West

 

in Sendai

 18. - 19. Oktober 2003

 

Inhalt

Zeitplan

Resümees (nach der Nummer in der Tafel des Zeitplans)

Themenbeschreibung

 

Zeitplan

 Erster Tag: 18. Oktober 2003 (Sa.) (Moderation)

 
Raum E
Raum F
10:00 - 10:05 Eröffnungsrede des Präsidenten der JGG Ikeda  
10:05 - 10:35 Brandstetter 1 (Niino)
10:40 - 11:10 Hamanaka 2  (Yahaba)
(Hirata)
Takamoto 5  (Hamazaki)
(Mandelartz)
11:15 - 11:45 Hagiwara 3 Bramkamp 6
11:50 - 12:20 Tak 4 Fujii 7
  Pause
14:00 - 14:30   Dittmar 12 (Hoshii)
14:35 - 15:05 Zhu 8
(Niino)
(Takamoto)
Liu 13  (Hoshii)
(Sakai)
15:10-15:40 Wiesmüller 9 Kimura, Waragai, Hirataka 14
  Pause
16:20- 16:50 Matsuoka 10 (Wittkamp)
(Hirata)
Hamazaki 15 (Hirosawa)
(Sutô)
16:55 - 17:25 Wittkamp 11 Scheiffele 16
17:30 - 18:00 Timm (Niino)    

 

18:15 - 20:00 Party (Kousei-Kaikan im Campus)

 

Zweiter Tag: 19. Oktober 2003 (So.) (Moderation)

10:00 - 10:30 Neumann 17 (Pekar)  
10:35 - 11:05 Sutô 18  (Yahaba)
(Pekar)
Sakai 21   (Kimura)
(Waragai)
11:10 - 11:40 Mandelartz19 Hoshii 22
11:45 - 12:15 Watanangura 20 Yamaki 23
12:20 - 13:00 Abschlussdiskussion  

 

Komiteemitglieder

    HIRATA, Ei'ichiro (Keio-Universität)

    HIROSAWA, Eriko (Meiji- Universität)

    HOSHII, Makiko (Waseda- Universität)

    NIINO, Morihiro (Rikkyo- Universität)

    PEKAR, Thomas (Gakushu'in- Universität)

    YAHABA, Takashi (Dokkyo- Universität)

 

Resümees (nach der Nummer in der Tafel des Zeitplans)

 

Erster Tag: 18. Oktober 2003 (2) Raum E(10:40-11:10)

Körper und Sinne in der deutschen Gartenliteratur um 1800

HAMANAKA, Haru (Universität Shimane)

Seit der Entstehung des ästhetischen Landschaftsbegriffs als der malerischen Darstellung eines Naturausschnittes in der Frühneuzeit spielt der Gesichtssinn in der Diskussion über die Landschaft eine vorherrschende Rolle: Es wird nicht selten angenommen, Landschaft werde in erster Linie optisch erfahren. In Wirklichkeit aber erfährt man die Landschaft nicht nur mit dem Auge, sondern auch mit verschiedenen Sinnen wie Gehör, Geruch, Gefühl und sogar mit dem ganzen Körper.

In diesem Referat wird der Diskurs der deutschen Gartenliteratur um 1800 analysiert und betrachtet, wie die Sinneswahrnehmung und körperliche Erfahrung des Gartens dargestellt wird. Im Europa des 18. Jahrhunderts war der Garten ein bedeutender Gegenstand, an dem sich der Themenkreis der Landschaft entwickelt. Mit der Verbreitung der Parkomanie wurden auch in Deutschland seit dem letzten Drittel des Jahrhunderts viele Gärten im neuen modischen Stil des Landschaftsgartens angelegt und viel besucht, beschrieben und gezeichnet, und über Gartenkunst wurde intensiv diskutiert. Das wachsende Interesse an der Gartenkunst hat eine neue Textgattung geschaffen, die seinerzeit als „Gartenliteratur“ bezeichnet wurde. Darunter wurde ein Diskurs verstanden, der aus der Theorie der Gartenkunst, Beschreibungen von Gärten und Informationen über Gartenbau und Pflanzenzucht bestand; literarische Formen wie Roman oder Lyrik mit dem Thema Garten wurden mit wenigen Ausnahmen von der Gartenliteratur ausgeschlossen.

Zwar ist in der Gartenliteratur des 18. Jahrhunderts die Bevorzugung des Gesichtssinnes auffällig, aber in den Texten um 1800 werden auch andere Sinne, der Körper oder die Gesundheit erwähnt und der Augenzentrismus wird teilweise sogar kritisiert. Thema dieses Beitrags ist die Erläuterung der Vorstellung und Bedeutung von Körper und Sinnen bei der Gartenerfahrung in der Gartenliteratur unter Berücksichtigung der Diskursen vor allem der zeitgenössischen Ästhetik und Anthropologie aber auch der Idyllen- und Landlebendichtung.

 

Raum E (11:15-11:45) Erster Tag: 18. Oktober 2003 (3)

Die Erweiterung des Spielraums - höher, breiter, oder tiefer? Zur Entwicklung der Bühnen- und Theaterraumkonzeptionen in Japan und Deutschland im ersten Drittel des 20. Jahrhunders

HAGIWARA, Ken (Universität Tokyo)

Das Referat vergleicht die Bühnen- und Theaterraumkonzeptionen in Japan und Deutschland im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts und versucht, die Ein- und Auswirkungen zwischen ihnen zu erklären.

Bis zum Anfang des Jahrhunderts verfügte der Bühnen- bzw. Theaterraum des traditionellen japanischen Theaters über eine horizontale, auf den Grund hin ausgerichtete Perspektive (Vgl. weite Bühnenbreite, Hanamichi, gleitender Schritt des Akteurs). Auf der anderen Seite bot der Bühnenraum in Deutschland eine vertikale, zur Decke hin orientierte Perspektive (Vgl. hohes Bühnenportal, Horizont, Hüpfen und Hochheben des Partners beim Ballett).

Mitte der 1920er Jahre erweiterte in Japan das Tokioter Kleine Theater Tsukiji (erbaut 1924) die bisherige Dimension. Sein hohes Bühnenportal und sein Kuppelhorizont durchbrachen erstmals das niedrige Dach des traditionellen Theaters und eröffneten eine vertikale Perspektive des Bühnenraums. Dies führte es nach dem Vorbild der Kammerspiele von Max Reinhardts Deutschen Theater Beriln (erbaut 1906) ein. Doch auch Reinhardt behielt die traditionelle deutsche Bühnenraumkonzeption nicht bei. Er führte zu dieser Zeit als Theaterregisseur zahlreiche Raumexperimente durch und griff in diesem Zusammenhang Elemente des japanischen Kabuki-Theaters wie die Drehbühne und den Hanamichi auf. Mit diesem so genannten “Blumensteg”, auf dem der Schauspieler durch den Zuschauerraum hindruch auf- und abtreten konnte, wurde die Tiefe des Auftrittsbereichs erweitert und gleichzeitig die traditionelle Trennung von Bühne und Zuschauerraum aufgehoben. Eine horizontale, auf den Zuschauer gerichtete Perspektive des Theaterinnenraums wurde möglich.

Ende der 1920er Jahre schuf man in beiden Ländern Theaterräume, die eine vertikale und eine horizontale Perspektive vereinten. Im Kleinen Theater Tsukiji wurde auch unter Verwendung des Hanamichi inszeniert. In Deutschland plante Erwin Piscator ein Theater mit einem Dach aus Projektionsflächen. In seinen Inszenierungen der 30er Jahre traten die Schauspieler sowohl auf der Bühne als auch im Zuschauerraum auf, und der gesamte Theaterinnenraum wurde gleichmäßig dekoriert. Die Theaterräume der beiden Länder verfügten somit beide sowohl über eine horizontale als auch eine vertikale, und schließlich über eine totale Perspektive. Sie lenkten den Blick des Zuschauers nach vorne, nach oben und sogar auf den ihn umgebenden Bereich.

In meinem Referat möchte ich zeigen, wie die beiden Theaterräume Ende der 20er Jahre die Angleichung fanden und eine totale Perspektive verwirklicht wurde.

 

Erster Tag: 18. Oktober 2003 (4) Raum E (11:50-12:20)

Land und Landschaft zwischen Realität und Konstruktion − das „Heimat“- und „Lokalität“Problem in der koreanischen Literatur und Kunst der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts

TAK, Sun-Mi (Hanyang-Universität, Seoul)

Der Aufbruch der modernen nationalen Literatur und Kunst in Korea fällt in die zwanziger und dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts, wo er nach der Landesöffnung im Jahr 1876 längst zu einem Schlachtfeld der fremden Weltmächte und des Weltkapitals verwandelt worden ist. Vor diesem historischen Hintergrund formierten sich in der damaligen Öffentlichkeit verschiedene Konzepte und Vorstellungsmuster vom "Land" und der "Landschaft", welche auch in der zeitgenössischen Literatur und Kunst ihren Niederschlag fanden: Das Land und die Landleute als Gegenstand der Zivilisierung und Aufklärung, die Natur und Landschaft als Erprobungfeld der inneren Empfindungen und Reflexion des Individuums, die Heimat und das Heimatland als (Flucht-)Ort der gefährdeten Ichidentität des Individuums und Kollektivs, und schließlich die Realität des Landslebens als zu behebende, soziale Mißstände. Mein Referat versucht anhand mehrerer Beispiele der literarischen Texte und Bilder aus den 20er und 30er Jahren diesen Problemkomplex des Lands und der Landschaft in der beginnenden koreanischen Moderne darzulegen.

 

Raum F (10:40-11:10) Erster Tag: 18. Oktober 2003 (5)

Heimat als geistige Landschaft

TAKAMOTO, Misako (Humboldt-Universität, Berlin)

Die Empfindsamkeit für die Landschaft, die mit ihrer Subjektivierung einherging, entstand in der frühen Neuzeit als Reaktion auf einen veränderten Begriff von Natur, nachdem diese als Objekt der neuen Wissenschaft redefiniert und dadurch dem naiven Gefühl entfremdet worden war. Landschaft wurde zu einem Reflektionsbegriff, zu einem Sujet der Kunst, das der Künstler subjektiv gestaltet, wenn er "den gegeben Naturstoff völlig in sich einsaugt und diesen wie von sich aus neu schafft" (Georg Simmel: Philosophie der Landschaft).
Die Entstehung der Landschaft setzte also kulturgeschichtlich den Verlust der Natur voraus. Daraus lassen sich interessante Einsichten für den Begriff der Heimat gewinnen, die im Mittelpunkt meines Vortrags stehen werden.
Heimat soll verstanden werden als eine - erinnerte oder ersehnte, also - geistige Landschaft, die vielfältige Projektionen der eigenen Identität enthält. Diese geistige Landschaft wird, erst durch Ortswechsel und Fremderfahrung hervorgebracht und ist insofern von paradoxer Struktur: das erinnerte oder ersehnte Bild der Heimat ist eine Folge des - zumindest zeitweiligen - Verlusts der Heimat. Es ist bemerkenswert, dass die Konnotationen der Heimat - Geborgenheit, Vertrautheit, Zufriedenheit usw. - in den unterschiedlichen Sprachen vorkommen. Dasselbe gilt auch für den Gegenbegriff der Heimat, die Fremde.
Der paradoxe Zug der Heimat, dass sie als ihren Gegenbegriff die Fremde voraussetzt, wird im Vortrag vor allem durch Beispiele aus der Reise- und Heimatliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts dargestellt, in denen sich Fremderfahrung ausdrückt. Dazu soll die Erfahrung dessen, der seine Heimat verlässt, vorgestellt werden, der sich nach seiner Rückkehr in die Heimat als fremd erkennt. Diese Dialektik der Heimat lässt sich nicht nur in der Moderne, sondern auch schon in vielen klassischen Literaturen nachweisen.

Indem sich Heimat als geistige Landschaft konstituiert, ist darüber hinaus auch für sie die Subjekt-Objekt-Dialektik, das oben herausgestellte historische Merkmal des Landschaftsbegriffs, gültig. Um das zu belegen und zu veranschaulichen, soll näher auf Sigmund Freuds Studie zum Unheimlichen und verschiedene anthropologische Arbeiten zur Fremderfahrung eingegangen werden.

 

Erster Tag: 18. Oktober 2003 (6) Raum F (11:15-11:45)

Unsichtbare Wände und die literarische Eroberung einer Landschaft

BRAMKAMP, Agathe (Fu Jen Universität, Taipeh)

Die Werke Marlen Haushofers sind erst von der feministischen Literaturwissenschaft wieder entdeckt worden. Ihre Romane Die Wand (1963) und Die Mansarde (1969) 1983 bzw.1984 wieder aufgelegt wurden zu vielbeachteten Büchern der feministischen Literaturwissenschaft.

Der Roman Die Wand ist der Erinnerungsbericht einer etwa 40jährigen Frau, die sich als Gast im Jagdhaus eines Vetters im Gebirge aufhält und sich über Nacht durch eine plötzlich vorhandene dicke aber durchsichtige Wand von der übrigen Außenwelt abgeschnitten sieht. Jenseits der Wand ist offensichtlich alles Leben zu Stein erstarrt. Dort herrscht der Tod. Die Frau muss sich darauf einrichten, allein mit Kuh, Katze und Hund in der Natur zu überleben.

Das Buch ist einerseits als weibliche Robinsonade und andererseits als Zukunftsvision einer zerstörten Welt gesehen worden, wo eine von Menschen gemachte Katastrophe einen apokalyptischen Zustand hervorgerufen hat. Der Roman kann aber auch als Metapher für Isolation, Vereinzelung, Getrennt-sein der weiblichen Figur vom Rest der Welt gelesen werden. Die undurchdringliche Wand wird Gefängnis und Schutz zugleich. Die Fiktion der totalen Isolierung und Einsamkeit ist Bedingung für die Ich-Suche, die sich im Schreibprozess vollzieht. Die stückweise Erkundung der eingeschlossenen Berglandschaft, das Vertrautwerden mit ihr durch Bebauung und Nutzung zeigt die Ich-Erzählerin in immer neuem Verständnis von Natur; es zeigt sie selbst als Teil der Natur und des gesamten Kosmos. Der Prozess des Schreibens und Erinnerns aber schützt sie vor der Ich-Auflösung in einer zu großen Nähe oder Vereinigung mit Natur. Die Ich-Erzählerin bejaht vielmehr ihre Individualität und unterstreicht die Trennung von der Gemeinschaft, die Bedrohung und Gefahr bedeuten kann.

Es soll gezeigt werden, wie die Versteinerung der Aussenwelt und die Chance des Überlebens der Frau hinter der unsichtbaren Wand als Gesellschafts- und Zivilisationskritik gelesen werden kann.

 

Raum F (11:50-12:20) Erster Tag: 18. Oktober 2003 (7)

Ekel und Gedächtnis - Landschaften in der ostdeutschen Literatur der 90er Jahre

FUJII, Keiji (Universität Tokyo)

Verfallende Häuser, zäh rinnende, stinkende Flüsse, stickige Luft und beißender Ammoniakgeruch: das sind Motive, die in Texten der jüngeren Autoren aus der DDR, die erst nach dem Verschwinden dieses Staates Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen begannen, immer wiederkehren. Ihr Insistieren auf düsteren, manchmal gar makabren Landschaften unterscheidet sie nicht nur von den Autoren aus dem Westen, sondern auch von den älteren DDR-Autoren, die trotz aller Enttäuschungen und Drangsalierungen am utopischen Potenzial des Realsozialismus festhielten. Von der hohen Warte des Ideals aus die schlechte Wirklichkeit zu beklagen, ist nicht die Sache der jüngeren, sie sind vielmehr selbst von den Verfallserscheinungen betroffen und bringen ihre letztmögliche Weigerung dagegen durch die Gestaltung eben jener Landschaften zum Ausdruck.

Die Intensität der ekelerregenden Landschaftsschilderung verbietet, diese allein auf Zufallsprodukte einer Übergangszeit zu reduzieren. Ob bei Nietzsche oder bei Sartre, der Ekel besaß und besitzt erkenntniskritischen Wert, denn man wird nicht zuletzt dann vom Brechreiz überfallen, wenn die gewohnte Wahrnehmungsweise außer Kraft gesetzt und etwas schwer Benennbares leiblich verspürt wird. Die expressionistisch verdichtende Landschaftsschilderungen der jüngeren ostdeutschen Autoren eröffnen denn auch in geglückten Fällen weit über die Endphase ihres Staates hinaus Zugang zu manchen, von den herrschenden Diskursordnungen in Ost und West verdrängten Bildern des ursprünglichen Lebens und Todes: zu den zeit- und geschichtslosen Landschaften des Gedächtnisses.

In meinem Referat wird versucht, anhand repräsentativer Texte der jüngeren ostdeutschen Schriftsteller, vor allem Wolfgang Hilbigs und Reinhard Jirgls, zu beweisen, daß ihre Texte nicht als historisch bedingte Lokalerscheinungen zu verstehen sind, sondern daß sie vielmehr etwas verspätete, aber nichtsdestoweniger legitime Erben der „nicht mehr schönen Künste“ darstellen - wodurch sich auch die Möglichkeit bieten wird, diese Literatur im gesamten europäischen Kontext zu situieren und etwa mit den Texten Elfriede Jelineks - um nur ein Beispiel zu nennen - zu vergleichen.

 

Erster Tag: 18. Oktober 2003 (8) Raum E (14:35-15:05)

Landschaftsmetaphern oder Metaphernlandschaft?

ZHU, Xiaoan (Fremdsprachenuniversität Luoyang, Luoyang)

Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, die Landschaft als Metaphern zu untersuchen. Es werden zuerst von zwei Arten von Landschaften unterschieden, nämlich der visuell konkreten und sichtbaren Naturlandschaft und der durch sprachliche Mittel im Gehirn des Menschen hervorgerufenen, also assoziierten Landschaft. In meiner Arbeit handelt es sich vor allem um die assoziierte Landschaft. Aber mein Hauptziel ist nicht die Landschaft für sich selbst, sondern sie als Metaphern zu untersuchen, weil ich die Auffassung vertrete, dass man die Landschaften in Gedichten, Romanen, Lyriken, aber auch in anderen Textsorten verwendet, nicht nur um eine rein ästhetische Atmosphäre zu schaffen oder ein schönes Bild zum Genießen zu stiften, sondern auch um eine besondere Situtation (z.B. politische), die seelischen Zustände des Menschen (z.B. fröhliche, traurige, wütende), den Personencharakter usw. zum Ausdruck zu bringen. In diesem Fall handelt es sich doch um eine Metaphorisierung der Landschaft. In der vorliegenden Arbeit versuche ich die obengenannten Funktionen der deutschen Landschaftsmetaphern, aber auch deren Wirkungen auf die Leser darzustellen, wobei auch chinesische Landschaftsmetaphern zur kontrastiven Analyse herangezogen werden. Darüber hinaus werden die verschiedenen sprachlichen Formen der Landschaftsmetaphern, z.B. Landschaftsmetaphern als Text, als Textpartie, als Bildbrüche usw. untersucht und analysiert.

 

Raum E(15:10-15:40) Erster Tag: 18. Oktober 2003 (9)

Bruchlinien zwischen Natur und Zivilisation - Natur und Landschaft in der österreichischen Lyrik von 1945 bis zur Gegenwart

WIESMÜLLER, Wolfgang (Universität Innsbruck, Innsbruck)

Das Erscheinungsbild der Landschaft in der österreichischen Lyrik nach 1945 wurde wesentlich von der Auseinandersetzung mit den Traditionen des Naturgedichts beeinflußt. In der Nachkriegszeit und in den fünfziger Jahren wurden symbolisch-metaphorische und naturmagische Konzepte der Naturlyrik wieder aufgenommen und zur „Universalchiffre Natur“ (H. Korte) ausgeweitet (C. Busta, C. Lavant, I. Bachmann).

Ab den sechziger Jahren erfolgte eine kritische Abweisung dieser Traditionen, durch spielerische Demontage auf der einen Seite (A. Okopenko, H.C. Artmann), durch experimentelle Destruktion auf der anderen Seite (E. Jandl). Seit den siebziger Jahren bildete sich im Zuge der „Neuen Subjektivität“ eine neuen Natursensibilität heraus, die zivilisationskritische und ökologische Motive in die Naturlyrik eingebracht hat (E. Einzinger), die in der Folge zur Revitalisierung sensualistischer, ästhetisierender und mythisierender Naturkonzepte geführt hat.

Unter gattungsgeschichtlicher Perspektive bricht die Naturlyrik in Österreich die Stilisierung und Mythisierung der Landschaft zur heimatlichen Idylle schon in den fünfziger Jahren auf (W. Szabo, Th. Bernhard). Die fortschreitende Entwicklung der Tourismusindustrie fordert mit den von ihr produzierten Klischees von der unberührten alpinen Landschaft zu weiterer Kritik heraus, wobei der Dialekt als Stilmittel auf neue Weise zum Tragen kommt (E. Jandl, H. Haid, W. Pilar). Seit den achtziger Jahren fokussiert sich der Blick im Zuge der aufstrebenden Ökologiebewegung vor allem auf die Landschaft als Bruchlinie zwischen Natur und Zivilisation. Es entsteht ein ambivalentes Gegenspiel von ästhetischem Naturerlebnis und magischer Naturbeziehung auf der einen Seite, und dem impliziten oder expliziten Aufweis der katastrophalen Folgen einer rücksichtslosen Naturzerstörung auf der anderen Seite (H. Raimund, Christoph W. Aigner, M. Donhauser, S. Mall).

Die skizzierte Entwicklung der Naturlyrik in Österreich seit 1945 und die mit ihr einhergenden Veränderungen der Perspektivierung von Landschaft werden anhand einer in einem Handout zusammengestellten Auswahl von Gedichten der genannten Autorinnen exemplarisch veranschaulicht.

 

Erster Tag: 18. Oktober 2003 (10) Raum E (16:20-16:50)

"Ecological Reading" der Landschaftsbeschreibung in den literarischen Werken in Europa und Japan

MATSUOKA, Koji (Rikkyo-Universität, Tokyo)

Seit etwa 10 Jahren findet das Wort „Ecology (Ökologie)“ in Japan immer weitere Verbreitung und wurde zum alltäglichen Wort. Aber die Bedeutung des Wortes „Eco“ ist jetzt nicht mehr „Ecology“, sondern „Umwelt“ oder „Umweltwissenschaft“, wie es auch in deutschen Textbüchern(!) und in Büchern aus dem Bereich der Literaturkritik zu lesen ist. „Ecological Criticism“ oder „Ecological Reading“, die beide in den USA blühen, beruhen auf einem „Ökologie-Gedanken“, der sich ebenfalls ziemlich weit von der ursprünglichen Bedeutung der „Ökologie“ entfernt hat.

Im folgenden will ich deshalb einige literarische Werke in Bezug auf die ursprüngliche „ökologische“ Bedeutung untersuchen. In den Naturbeschreibungen literarischer Werke gibt es Bäume, Tiere und viele natürlichen Dinge, und diese bilden meiner Meinung nach insgesamt ein Ökosystem innerhalb der Werke. Ich möchte versuchen, literarische Werke unter diesem Blickpunkt zu analysieren und das Naturverständnis herauszulesen, das in ihnen enthalten ist. Insbesondere möchte ich mich auf die Werke von Kenji Miyazawa, Adalbert Stifter und William Wordsworth konzentrieren und untersuchen, welche Unterschiede vom Naturverständnis zwischen Europa und Japan bestehen. Das „ursprüngliche Ecological Reading“ ist ein gutes Hilfsmittel, um diese Unterschiede herauszufinden.

 

Raum E (16:55-17:25) Erster Tag: 18. Oktober 2003 (11)

Landschaft und Konstruktion

WITTKAMP, Robert F. (Kansai-Universität, Osaka)

Bei der Beschäftigung mit der Landschaft in der japanischen Literatur wird man in der entsprechenden Forschung mit einer Vielfalt an Landschaftsbegriffen konfrontiert, die von der „symbolischen Landschaft“ über die offenbar rein aus Phantasie, Erinnerung und „geheinmisvoller Tiefe“ geschaffenen „yūgen-Landschaft“ des Mittelalters bis zur „realistischen Darstellung“ reicht. Dabei wird kaum in Frage gestellt, ob eine realistische Darstellung der Außenwelt, d.h. so wie sie „wirklich“ ist, überhaupt machbar ist.

Ausgehend von der Wahrnehmungspsychologie und dem Konstruktivismus, einem aus den heutigen Sozial- und Kulturwissenschaften nicht mehr wegzudenkenden Theorienkomplex, soll gezeigt werden, dass alle Landschaften der Literatur (Malerei, Gartenkunst) Konstrukte eines Individuums, eines Diskurses und einer Kultur sind.

Da wir die Vorstellung einer realistischen Landschaftsdarstellung in der Kunst direkt an der Basis, also in der Relation zwischen Dichter und Außenwelt (wenn man einmal von Gedächtnis etc. absieht), destruieren wollen, wird der Schwerpunkt des Vortrages in der Darstellung des Radikalen Kontruktivismus` liegen, der zwar auf eine lange Philosophiegeschichte zurückblicken kann, in seiner heutigen Prägnanz jedoch von Psychologen, Kybernetikern und Biologen entwickelt wurde. Eine seiner Hauptaussagen lautet: Wirklichkeit wird von uns konstruiert.

Das Ziel dieses Vortrages liegt in der Entwicklung eines Landschaftsbegriffes, der einen intersubjektiv nachprüf- und nachvollziehbaren Gebrauch verfügbar macht.

 

Erster Tag: 18. Oktober 2003 (12) Raum F (14:00-14:30)

Sprache und Umbruch

DITTMAR, Norbert (Freie Universität Berlin, Berlin)

Immer häufiger ist kommunikatives Verhalten in der modernen Gesellschaft durch sozialen Umbruch und seine Folgen für das kommunikative Verhalten des Individuums bestimmt. Fachgebiete, Wirtschaftsbereiche, Medien wechseln rasch und radikal ihre Inhalte, sodass kommunikative Diskontinuität, Umbruch und Umorientierung zu den sozialen Erfahrungen der Gemeinschaftsmitglieder zählen und die Ausprägung umbruchspezifischer kommunikativer Kompetenzen fördern.

Die linguistische Erosion, die irreversibler und nicht vorhersehbarer Umbruch im kommunikativen Verhalten ganzer Kommunikationsgemeinschaften bewirken, sollen am Beispiel der „Wende“ 1989 und den folgenden 10 Jahren danach im Rückgriff auf ein soziolinguistisches Ost-West-Projekt beschrieben werden. Die soziolinguistische Dynamik von Umbruchsituationen soll an einem Korpus von Diskursen Ostberliner Sprecher - im Unterschied zu Westberliner Sprechern - aufgezeigt werden. Umbruchspezifische narrative Strukturierungen des Diskurses, kognitive Unsicherheit, Entwertung von Routinemustern und Übernahme neuerer Routinemuster, Stereotypen und Strategien werden anhand von Beispielen systematische dargestellt und auf der Folie und einem theoretischen Konzept zu der Identitätserosion und Identitätskonstitution erklärt.

Der Beitrag eröffnet tiefere soziolinguistische Einsichten in den Zusammenhang von Sprache, Kommunikation und sozialen Umbruch. Die methodischen Instrumente lassen sich auch auf andere Umbruchsituationen anwenden.

Literatur:

Dittmar, Norbert & Bredel, Ursula (1999) Die Sprachmauer. Die Verarbeitung der Wende in Erzählungen der Wende und ihrer Folgen in Gesprächen mit Ost- und WestberlInerinnen, Weidler Buchverlag, Berlin 208 S.

Dittmar, Norbert (2001) Zur Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen. Umbruchstile: terra incognita, In: Imken Keim et.al. (eds.) Festschrift für W. Kallmeyer zum 60. Geburtstag. Tübingen: Gunter Narr Verlag. 281-314.

 

Raum F (14:35-15:05) Erster Tag: 18. Oktober 2003 (13)

Landschaft der Zweitspracherwerbsforschung

LIU, Hung-Cheng (Da-Yeh Universität, Chang-Hwa)

In der Zweitspracherwerbsforschung wurden verschiedene Thesen im Hinblick auf die Untersuchungsbereiche - Spracherwerb und Sprachgebrauch - aufgestellt. Sie betrachten die Lernersprache jeweils aus einer unterschiedlichen Perspektive und kommen demnach zu anderen Ergebnissen. Es gibt bisher keinen abschließenden Ansatz, der theoretisch vollständig, pragmatisch plausibel und empirisch belegbar wäre.

Generell erfolgt der Erwerb einer Zweitsprache nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten. Für die Erklärung dieser Gesetzmäßigkeiten wurden verschiedene Erklärungshypothesen in der Zweitspracherwerbsforschung aufgestellt. In der Diskussion sind vor allem die sogenannten drei „großen Hypothesen“. Sie sind uneinheitlich und unterscheiden sich in wesentlichen Punkten. Auf der Grundlage dieser drei sehr generellen Hypothesen haben sich drei verschiedene Analyseperspektiven herausgebildet, die sich jeweils an formalen, funktionalen und konzeptuellen Kategorien orientieren.

Es gibt eine Reihe von Versuchen, die einzelnen Befunde in allgemeine Theorien umzusetzen. Dabei ist festzustellen, daß die meisten Ansätze in Teilbereichen zwar zutreffen, aber letztendlich in ihrer Formulierung zu pauschal sind.
Allerdings sollte diese Forschungslandschaft nicht als Schwäche der bisherigen Untersuchungen mißverstanden werden. Vielmehr deutet sie auf die Tatsache hin, daß Erwerb und Gebrauch einer Zweitsprache ein mit einer Vielzahl von Faktoren verbundenes Phänomen sind.

In dieser Arbeit wird versucht, verschiedene Untersuchungsansätze in bezug auf Erklärungshypothese und Analyseperspektive darzustellen. Dies dient dazu, einen kurzen überblick über die Landschaft der Zweitspracherwerbsforschung zu bekommen und darüber hinaus die neuere Tendenz und die neusten Ansätze in der Zweitspracherwerbsforschung zu berichten.

 

Erster Tag: 18. Oktober 2003 (14) Raum F (15:10-15:40)

Zu welchem Zweck untersucht man Deutschlernende? - Zur Analyse von Lernervarietäten vor und nach dem Aufenthalt in Deutschland

KIMURA, Goro Christoph; WARAGAI, Ikumi; HIRATAKA, Fumiya (Keio-Universität, Shona Fujisawa)

In Japan hat die Varietätenforschung von Deutschlernenden bisher kaum Beachtung gefunden. Die BewerberInnen vertreten die Auffasung, dass die Untersuchung zu Lernervarietäten in vielerlei Hinsicht einen Beitrag zum besseren Verständnis von menschlicher Kommunikation leisten kann; linguistisch, weil man durch die Untersuchung zu Lernervarietäten einen Zugang zum Spracherwerbsmechanismus findet, soziolinguistisch, weil man sich dadurch ein reales Bild verschiedener Kommunikationsmechanismen von Deutschlernenden machen kann, und fremdsprachendidaktisch, da sich dadurch die Grundlagen und der Rahmen zur Erstellung von Curricula, Syllabi, Lermaterialien u.a. entwickeln und Anregungen zur Verbesserung der Methodik und Didaktik erarbeiten lassen.

Das Ziel des Vortrags liegt darin, die Bedeutung der Untersuchung zu Varietäten von Deutschlernenden zu verdeutlichen. Die Untersuchung stützt sich dabei auf die Äußerungsdaten von sechs Probanden, die einen Monat lang am Sommersprachkurs an einer deutschen Universität teilgenommen haben. Die Probanden wurden je einmal vor und nach dem Aufenthalt in Deutschland interviewt. Die Interviews wurden aufgenommen, und die Daten wurden transkribiert.

Die Untersuchung beschäftigt sich mit der Frage, welche Kompetenzen Deutschlernende während des Aufenthaltes in Deutschland erwerben. Das Ziel der Arbeit liegt darin, Komponenten herauszuarbeiten, an denen sich die Entwicklung der kommunikativen Kompetenz feststellen läßt. Bei der Datenanalyse sollen folgende Kriterien berücksichtigt werden: Grammatikalisierung, Diskurs- und Informationsstruktur, Verwendung von anderen Sprachen, Sprechtempo, nonverbale Mittel (Gestik, Augenkontakt).

 

Raum F (16:20-16:50) Erster Tag: 18. Oktober 2003 (15)

Der fremde Blick auf die Berliner Landschaft

HAMAZAKI, Keiko (Kobe City University of Foreign Studies, Kobe)

Landschaftsdarstellungen sind, in der Malerei wie in der Literatur, stets durch den Blick des Betrachters bestimmt. Die darzustellenden Gegenstände und die Perspektive des Betrachters müssen ausgewählt und festgelegt werden, womit ihnen zugleich Bedeutung zugeschrieben wird. Auswahl und Bedeutungszuschreibung werden jedoch nicht bloß subjektiv vom Autor bestimmt, sondern, wie insbesondere die post-koloniale und feministische Diskursanalyse herausgearbeitet hat, auch historisch-gesellschaftlich. Der Blick des beobachtenden Subjekts ist auf den begehrten Gegenstand, auf das „Fremde“, gerichtet, so daß dieses „Fremde“ als imaginäres Wunschbild zu deuten ist.

Das oder der „Fremde“, der schon immer Ziel des europäischen Blicks war, wirft inzwischen seinen Blick auf Europa zurück, wie man an den Versuchen der post-kolonialen Literatur sieht. Auch im deutschsprachigen Raum schreiben die „Fremden“ auf Deutsch und beschreiben Deutschland dennoch mit fremden Augen. Dieser Blick auf das „gelobte Land Deutschland“ (Max von der Grün) läßt sich dann auch als imaginäres Bild interpretieren.

Berlin, nach der Einwohnerzahl die „drittgrößte türkische Stadt“, ist nach wie vor eine der wichtigsten Kulissen der multikulturellen Literatur in Deutschland. Einer der ersten „Ausländerautoren“, Aras Ören, beschrieb schon 1973 in seiner „Berlin-Trilogie“ die Berliner Straßenlandschaft aus dem Gesichtspunkt der „Gastarbeiter“. Emine Sevgi Özdamar, die in den siebziger Jahren zwischen Ost- und Westberlin pendelte, beschreibt die geteilte Stadt aus der Perspektive eines jungen Mädchens. Die Berlin-Texte beider Autoren beschreiben die Stadtlandschaft aus eigener Erfahrung, werden nicht selten als „Reportage“ zitiert und als „authentisches“ Deutschland-Bild aus fremden Augen verstanden.

Die „Authentizität“ des fremden Blicks sollte aber überprüft werden. In meinem Vortrag geht es einerseits darum, ob und wie die Landschaft Berlin durch den fremden Blick ein „anderes“ Bild zeigt, andererseits darum, inwieweit dieser „fremde Blick“ auch historisch-gesellschaftlich bestimmt ist.

 

Erster Tag: 18. Oktober 2003 (16) Raum F (16:55-17:25)

Die Landschaftsgarten von Wörlitz: „Zierde und Inbegriff des 18. Jahrhunderts“

SCHEIFFELE, Eberhard (Waseda-Universität, Tokyo)

Die wielandsche Charakterisierung im Titel übertreibt nicht: Bezeichnungen wie ‚Gesamtkunstwerk des Klassizismus', ‚Dokument der Kultur der Goethezeit', ‚Enzyklopädie des 18. Jahrhunderts' werden diesem Hauptteil des ‚Dessauer Gartenreichs' immer nur teilweise gerecht.

Der zwischen 1762 und 1825 geschaffene Wörlitzer Park ist der erste große Englische Garten auf dem Kontinent. Mit seinem Schloss setzt die Architektur des deutschen Klassizismus ein, mit seinem ‚Gotischen Haus' die der Neogotik. Einige Haupttendenzen des Jahrhunderts treffen hier zusammen: Aufklärung, die sich im englischen Gartentyp manifestierende geänderte Naturauffassung, Winkelmanns neues Bild der Antike, Rousseauismus, Ossianismus, der Goethe-Humboldtsche Neuhumanismus, Beginn einer Neueinschätzung mittelalterlicher Kultur. Zur Gestaltung der 112 Hektar großen Anlage fanden Fürst Franz von Anhalt-Dessau und sein Architekt Erdmannsdorff Anregung auf ihren gemeinsamen Reisen in England und auf dem Kontinent, wo sie auch Repräsentanten des neuen Natur- und Antike-Verständnisses wie Sterne, Walpole, Rousseau und Winckelmann begegnet sind.

Dieser Landschaftsgarten konnte auch deshalb zu einem „Inbegriff“ werden, weil man in den Jahrzehnten seines Entstehens den Stil der je abgeschlossenen Teile nicht im Nachhinein dem geänderten der je neuen Partien anglich. Er wurde so gut erhalten, dass August von Rodes miniziöse „Beschreibung“ von 1814 bei der Besichtigung noch immer am zuverlässigsten Auskunft gibt.

 

Raum E (10:00-10:30) Zweiter Tag: 19. Oktober 2003 (17)

Landschaft im Fenster - Liebeskonzept und Identität in Robert Musils Novelle „Die Vollendung der Liebe“

NEUMANN, Gerhard (Universität München)

‚Landschaft', als ästhetische Erfahrung der Natur, wurde in Europa zweimal erfunden: durch Petrarca, 1335, als er, auf dem Mont Ventoux, den Blick des Philosophen auf die Natur richtete und ihm die Irritation dieses Blickes durch das Ästhetische dieser Natur ins Bewußtsein kam; durch Leon Battista Alberti, 1435/36, in seinem Traktat „Della Pittura“, als er den stereometrischen Blick des Mechanikers und Mathematikers auf die Natur lenkte und behauptete, daß nur dann ein ‚Bild' entstehen könne, wenn er ein Viereck zeichne, und zwar wie „ein offenstehendes Fenster“, „durch das er betrachte, was hier gemalt werden soll“. Zwischen dem läuternden Blick des Philosophen einerseits, dem durch einen Bild- oder Fensterrahmen fokussierten Blick des Forschers andererseits findet sich die europäische Konzeption von Landschaft eingelagert; und zwar entstehend aus beider, der philosophischen Abstraktion wie der naturwissenschaftlichen Rahmung, Irritation durch ästhetische Erfahrung. An der Landschaft wird seither die Herstellung von Individualität erprobt - gemäß der Alternative, die Augustinus, der philosophische Garant Petrarcas, aufgestellt hatte: Wird das Individuum sich seiner Eigentümlichkeit gewiß aus dem Anblick der äußeren Natur oder vielmehr aus der Versenkung in sein innerstes Selbst? (Conf. X,8,14-15) Das literarische und pikturale Szenario dieser Entzweiung von Außenerfahrung und Innerlichkeit ist die Position der Liebenden am Fenster: ihr Blick auf die Landschaft als Beglaubigung ihrer individuellen Eigentümlichkeit und ihres liebenden Bezugs; exemplarisch verwirklicht in Werthers und Lottes Klopstock-Erlebnis am Fenster. Robert Musils „Vollendung der Liebe“ erweist sich -mit dem Paradox einer Vollendung der Liebe durch Untreue - als eine moderne Umschrift dieses Entzweiungs-Szenarios.

 

Zweiter Tag: 19. Oktober 2003 (18) Raum E (10:35-11:05)

TANIKÔ: ein Nô-Stück im Spiegel der deutschen Literatur

SUTÔ, Naoko (Meiji-Universität, Tokyo)

TANIKÔ ist an sich kein typisches besonders herausragendes Nô-Stück aber innerhalb der Germanistik vielleicht das bekannteste japanische Bühnenwerk aufgrund der Umarbeitung durch Brecht in sein umstrittenes Stück DER JASAGER und dessen spätere Neufassungen. Hier soll allerdings kein Beitrag zur Brecht-Forschung geleistet werden sondern Ziel ist es auf Probleme der vergleichenden Literatur und zwar vorwiegend von TANIKÔ aus betrachtet zu verweisen.

Wenn man sich Brechts Dramatik von der Seite des altjapanischen Theaterstücks her annähert so werden einem die entsprechenden deutschen Stücke nicht sehr interessant erscheinen. Denn abgesehen von der schon durch die englische Übersetzung herrührenden entscheidenden Verstümmelung zeigt sich bei der Umarbeitung Brechts - vor allem in ihren späteren Fassungen - eine deutliche Rationalisierung die im Vergleich zum fabelhaften Irrationalismus des Originals in dem es um eine mythische Auferstehung geht nicht unbedingt überzeugend wirkt. Dabei fällt auf dass in Brechts Stücken die Landschaft nahezu verlorengegangen ist die im Original eine entscheidende Rolle einnimmt. TANIKÔ spielt nämlich in seiner zweiten Hälfte auf einem der berühmten heiligen Bergen auf denen man seit alters her eine Art von Pseudo-Selbsttötung begeht und sich in asketische Wanderung und Übung stürzt um dann als Wiedergeborener heimzukommen. Dagegen steigen bei Brecht die Personen zwar auch auf Berge diese jedoch stellen lediglich einen Hintergrund dar und keine geheiligte Landschaft mehr von der abgeschnitten der tödliche Sturz noch dazu ohne Auferstehung nur mehr erbarmungslos grausam erscheinen kann. Aus der Sicht des japanischen Dramas lässt sich dieses im Spiegel Brechts verfremdet-grausame Bild TANIKÔs leicht Missverständnissen und seiner Unkenntnis zuschreiben und ignorieren. Aber dennoch ahnt man vielleicht obschon verzerrt eine Widerspiegelung der japanischen Kultur in der oft der "Wegwurf" des Ichs als innere Einstellung erwartet wird. Diese spezielle Lage des Individuums in der japanischen Kultur wird auch veranschaulicht durch den Vergleich der Idee der Natur wie sie in TANIKÔ zu ersehen ist mit entsprechenden Vorstellungen in der deutschen Literatur speziell in Erzählungen die in der Bergwelt spielen.

 

Raum E (11:10-11:40) Zweiter Tag: 19. Oktober 2003 (19)

Beherrschte, vernutzte und schöne Berge. Symbolisches und reales Opfer bei Goethe

MANDELARTZ, Michael (Meiji-Universität, Tokyo)

Das Erhabene ist das Schreckliche, und das Schreckliche kommt aus den Bergen als dem Sitz der Götter und Geister. Das gilt für den griechischen Olymp, für den Brocken im Harz und auch für japanische Berge, wie (nach Itoda Soichiro) das sino-japanische Kompositum「崇高」zeigt. Darauf beruht auch Goethes geologisches Denken, das den Fragmenten über den Granit (1784/85) relativ ungebrochen zu entnehmen ist. Gipfel sind demnach keine angenehmen, sondern allenfalls notwendige Aufenthaltsorte für denjenigen, der sich „nach dem nähern Himmel“ sehnt. Die „brennende Sonne“ ruft auf dem nackten Gipfel, nachdem ein Opfer dargebracht wurde, schon bald „Hunger und Durst seine menschlichen Bedürfnisse“ zurück.

Die Gipfel sind „vor allem Leben und über alles Leben". Goethe zufolge müssen wir unsere Stellung zum Erhabenen bestimmen, können es aber nicht ohne weiteres in unsere Lebenszusammenhänge integrieren. Der Kunst wird daher die widersprüchliche Aufgabe zugewiesen, das ursprüngliche Menschenopfer im Medium des Scheins zugleich zu bewahren und zu distanzieren. Sie ist damit unverzichtbar für den Erhalt und die Weiterentwicklung der Kultur. Die Protagonisten der Goetheschen Werke verhalten sich jedoch keineswegs dieser Erkenntnis gemäß: Das Verhältnis zu den Bergen als dem Ort des Erhabenen ist durch Herrschaft (Novelle), ästhetischen Genuß (Wahlverwandtschaften) und Ausbeutung (Pandora) geprägt, das Menschenopfer wird, auch in seiner bloß symbolischen Form, zumeist abgelehnt. Das Erhabene tritt daher wieder in seiner ursprünglichen Gestalt auf: Es holt sich ein reales Opfer. Daraus ergeben sich der Tod Ottilies in den Wahlverwandtschaften und der Stadtbrand in der Novelle.

Die Abspaltung des ästhetischen Landschaftsgenusses von der Naturbearbeitung seit der frühen Neuzeit und besonders seit dem späten 18. Jahrhundert resultiert, wie Joachim Ritter richtig gesehen hat, aus der modernen Form der Naturbeherrschung durch das „freie Subjekt“. Was ihm jedoch entgeht ist die Tatsache, daß die Natur als eine Macht, von der wir abhängen, damit zwar aus dem Blick gerät, aber keineswegs aus der Welt. Goethe hat diesen Zusammenhang klar gesehen, wie der Vortrag zeigen soll.

 

Zweiter Tag: 19. Oktober 2003 (20) Raum E (11:45-12:15)

Auf der Wanderung über See zur Selbsterkenntnis: Die Seelandschaft im Versroman Pra-Apaimanie von Sunthorn-Phu und Homers Odyssee

WATANANGURA, Pornsan (Chulalongkorn-Universität, Bangkok)

Die traditionelle thailändische Versroman bietet zum guten Teil die abenteuerliche Lebensgeschichte der Protagonisten, wobei die Szenen hauptsächlich auf dem Land spielen. Pra-Apaimanie, der Versroman, der vor über 100 Jahren im Königreich Siam vom Hof-und Volksdichter Sunthorn-Phu (1786-1855) geschrieben wurde, handelt aber von einer Wanderung des Protagonisten durch die Welt über weite Meer, was in der Thailiteratur unüblich ist. Pra-Apaimanie beginnt seine Reise in fremde Länder und erlebt abenteuerliche Episoden, nachdem sein königlicher Vater ihn und seinen Bruder aus seiner Heimat vertrieben hat. Auf der Seefahrt hatte der Protagonist nicht nur Umgang mit magischen Kräften; ihm widerfahren außergewöhnliche Begegnungen und zahlreiche Liebeserlebnisse, darunter eine zauberhafte Liebe zu einer Europäerin Laweng-Wanla. Diese spannenden und aufregenden Erlebnisse brimgem ihm Überraschungen und Unannehmlichkeiten und führen ihn zu neuen Lebenserkenntnissen. So handeln Sunthorn-Phus „Lehrjahre“ des Phra-Apaimanie von mittelbaren und unmittelbaren Bekenntnissen, die der Held und seine Familie gewinnen, und von verschiedenartigen Liebes-und Lebenserfahrungen des Protagonisten. Dabei werden seine Selbsterfahrungen häufig durch buddhisische Lehren und Lebensklugheiten reflektiert und pointiert. Damit trägt dieser Weg von der Heimat über See in die weite Welt eine religiöse Botschaft. Sie erzählt die Rückkehr zur Selbsterkenntnis, vor allem zur Erkenntnis von Natur der Dinge bzw. „Dhama“.

Odyssee, der Protagonist von Homers Odyssee, hat ebenfalls gefährliche und abenteuerliche Erlebnisse auf einer unabsehbarer langen Seefahrt. Er bricht jedoch nicht wie der Held des thiländischen Versromans Pra-Apaimanie in die weite Welt auf, sein Ziel ist vielmehr, nach dem zehnjährigen Krieg um Troja in die Heimat zurückzufinden, wo seine Frau in unerschütterliche Treue auf ihn wartet. Über sein Schicksal und das seiner Gefährten entscheiden die freundlichen oder feindlichen Götter: der Meeresgott Poseidon, der ihn und die Seinen wegen einer Freveltat mit einer jahrelangen Irrfahrt straft, und Athene, die Tochter des Zeus, die ihn schützt und ihm schließlich zu seiner Heimkehr verhilft. Odysseus „bildet“ sich nicht wie Pra-Apaimanie, er hat sich bereits als kluger und besonnener Held bewährt, und Tapferkeit und Geduld zeichnen ihn bis zum glücklichen Ende aus. Doch kann er bis zuletzt nur hoffen, dass die Götter ihm nach seinen Taten und Leiden Gerechtigkeit widerfahren lassen.

Der religiöse Lebenserkenntnis des thailändischen Versromans steht hier die antike Schicksalerfahrung des Homerischen Epos gegenüber. Beide zeugen von den Lebenswahrheiten der Kultur, in der sie entstanden.

 

Raum F (10:35-11:05) Zweiter Tag: 19. Oktober 2003 (21)

Deutschlehrerausbildung in der informations- und kommunikationstechnologischen Landschaft

SAKAI, Kazumi (Keio-Universität, Tokyo)

Obwohl sich die gesellschaftliche Landschaft in Japan, die uns Deutschlehrer umgibt, stark verändert hat, wo Informations- und Kommunikationstechnologien im alltäglichen Leben immer mehr eingesetzt werden und unsere menschliche Existenz elktronisch vernetzt wird, bleibt die Lehrerausbildung im Bereich Deutsch als Fremdsprache in Japan, soviel ich beobachtet habe, wie in den 60er oder 70er Jahren des letzten Jahrhunderts.

Die mangelhafte Ausbildung der zukünftigen Deutschlehrer stellt meines Erachtens eine der größten Schwächen im Deutschlernen und -lehren unseres Landes dar, geschweige denn, dass nur 30 % der gegenwärtigen Lehrenden während des Studiums didaktische bzw. methodische Ausbildung genossen haben.

Da wir unsere Landschft auf der Makroebene als gesetzliche und institutionelle Rahmenbedingungen nicht von heute auf morgen ändern können, sollten wir mit der Verbesserung der Szenen, denen wir uns aussetzen, anfangen, indem wir Inhalte der Lehrerausbildung revidieren und zeitgemäß machen. Ein wichtiger Punkt dabei scheint mir die Behandlung der Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) zu sein.

In der letzeten Dekade haben sich auch in Japan ziemlich viele Deutschlehrer mit ICT, repräsentiert vom Begriff „Computer Assisted Language Learning“ (CALL), auseinandergesetzt, wobei die meisten in dem Bereich Engagierten, mit wenigen glücklichen Ausnahmen, eher Technikfreunde als Didaktiker waren bzw. sind. Viele Programme sind entwickelt worden, die meisten sind aber unzeitgemäße Drills basiert auf der Grammatik-Übersetzungsmethode oder höchstens auf der audiolingualen, egal ob sich die Entwickler dessen bewußt oder nicht. Sie gehören von der CALL-Theorie her gesehen zu dem alten CALL. Einige versuchen schon, Task-based Learning bzw. handlungsorientierten Unterricht (ein wichtiger Bestandteil des neuen CALL) zu geben, indem sie vom Internet Gebrauch machen, denen aber auch meistens theoretische Grundlage fehlt.

In meinem Referat handelt es sich um die Relevanz der geschichtlichen und theoretischen Grundlage im wissenschaftlichen Teilgebiet CALL und deren Behandlung in der japanischen Deutschlehrerausbildung. Als Beispiel wird ein vom Referenten geleiteter Kurs an der Fremdsprachenhochschule Tokyo bekannt gemacht, und mögliche Themen in so einem Kurs werden diskutiert.

 

Zweiter Tag: 19. Oktober 2003 (22) Raum F (11:10-11:40)

Versteckte Landschaften - ‚Co-Lernen` und Vorgänge der Lerntätigkeit im Fremdsprachenunterricht

HOSHII, Makiko (Waseda-Universität, Tokyo)

Lernen einer Fremdsprache sind interaktionelle Vorgänge zwischen den Beteiligten an diesem Geschehen - den Lernern und dem Lehrer. In diesem Sinne gibt es eine Landschaft im Fremdsprachenunterricht, die im Unterrichtsdiskurs, vor allem im sprachlichen Verhalten des Lerners und des Lehrers beobachtbar wird. Gleichzeitig findet die Verarbeitung des Inputs in den Köpfen des einzelnen Lerners statt, und in diesem Sinne ist das Lernen einer Fremdsprache immer ein individueller Vorgang. Lernen einer Sprache bleibt sowohl den Lernern als auch den Lehrern bzw. den Beobachtern als unbewusster, nicht beeinflussbarer Prozess verborgen. Es werden Indizien für das Lernen in Veränderungen in der Lernersprache gesucht, und die Lernprozesse werden post hoc aus den lernersprachlichen Äußerungen erschlossen - eine Landschaft des Fremdsprachenlernens, die im Output des Lerners sichtbar wird. Diese beiden ‚Landschaften` - Unterrichtsdiskurs und lernersprachliche Äußerungen - haben in der bisherigen Forschungen zum Fremdsprachenlernen im Unterricht große Aufmerksamkeit auf sich gezogen und dementsprechend thematisiert.

Neben diesen beiden Landschaften gibt es jedoch eine weitere Landschaft im Fremdsprachenunterricht, die auf den ersten Blick eher versteckt ist: ‚Co-Lernen` im Fremdsprachenunterricht. Im Fremdsprachenunterricht, wo mehrere Lerner zusammenkommen, gibt es auch Phasen, in denen nicht alle Lerner zum Sprechen aufgefordert werden und die meisten Lerner nicht sprachlich am Unterrichtsdikurs teilnehmen. Solche Lerner partizipieren jedoch innerlich am Unterrichtsdiskurs. Im institutionalisierten Kontext des Fremdsprachenlernens wird dieses ‚Co-Lernen` meist sowohl in der unterrichtlichen Umgebung wie Räumlichkeiten, als auch in den Lernmaterialien vorausgesetzt, diese Landschaft wurde trotzdem bisher eher wenig thematisiert.

In diesem Beitrag soll einerseits theoretisch über das Konzept des Co-Lernens und dessen Bedeutung für den Fremdsprachenunterricht gesprochen werden. Gleichzeitig soll auch anhand empirischer Daten zur Diskussion gestellt werden, was die Lerner in dieser eher versteckten Landschaft im Unterricht tun und wie diese Landschaft eventuell durch die Aufgabenstellung verändert werden kann.

 

Raum F (11:45-12:15) Zweiter Tag: 19. Oktober 2003 (23)

Therapien für kulturlandschaftlich bedingte sprachliche Probleme durch Kreatives Schreiben

YAMAKI, Kimiko (Nihon-Universität, Tokyo)

Wenn man seine Kognition verfeinert und sich mit seinen Wahrnehmungen und Gedanken konzeptuell auseinandersetzt, geschieht dieser gedankliche Prozess in der Regel in der Sprache des Kulturkreises, in dem man aufgewachsen ist oder so lange gelebt hat, dass man sich dort sehr vertraut fühlt. Wenn dieser kognitiven Auseinandersetzung in einer anderen Sprache Ausdruck gegeben werden soll, werden nicht nur die Konventionen der Ausgangssprache, sondern auch die Ursprungskultur wird sehr oft mitgeschleppt. Infolgedessen ergeben sich Interferenzen auf der Wort- und Satzebene, und darüber hinaus werden auch strukturelle Faktoren wie der Aufbau der Sätze, die Darstellung der logischen Zusammenhänge und die Auswahl und die Kombination der geeigneten Tempora, sehr stark von dieser Kultur beeinflusst. Grundlegende strukturelle sprachliche Probleme der Fremdsprachenlernenden lassen sich bei der mündlichen Produktion nicht leicht festhalten und entdecken, wenn auf kommunikative Elemente, d.h. auf den Inhalt und damit verbundene Lexik und Semantik, mehr geachtet werden soll ; dort fließen die Sätze einer nach dem anderen fort, und dieser Redefluss sollte außerdem möglichst nicht gestört werden. Hinzu kommt, dass bei der mündlichen Produktion oft weder auf Kohärenz noch auf Stringenz des Textes bewusst geachtet wird und der produzierte Text nicht besonders gut strukturiert ist. Erst wenn ein Text im Schreibprozess bewusst produziert wird, machen sich mit der Kultur verbundene strukturelle Probleme deutlich bemerkbar. Wenn den Lernern nur bestimmte Formulierungsmuster beigebracht werden und sie diese in einem engen Rahmen exemplarisch anwenden und mit Hilfe von vorgegebenen Sprachmitteln umformen oder aber einen Satz bzw. einen kurzen Text aus der Ausgangssprache in die Zielsprache mechanisch übersetzen, können sie vielleicht ihre partiellen Techniken verbessern. Sie können sich jedoch dadurch nicht den Sinn und die breite Perspektive aneignen, wie sie ihren Wahrnehmungen und Gedanken frei Gestalt geben können und wie sie die einzelnen Satzbäume zum Textwald miteinander verknüpfen sollen. Wenn kognitive Auseinandersetzungen schriftlich fixiert werden, lässt sich ihnen das Leben des Schreibers und seine Kultur ablesen. Dies bietet uns Lehrkräften sehr gute Chancen, dementsprechend den Lerner durch Erteilung geschickter Schreibaufgaben therapeutisch so steuern zu können, dass er sich in der Textproduktion mit für ihn spezifischen Problemen schwerpunktmäßig auseinandersetzen, aber die Produktion durch die Aktivierung des Schreibprozesses voll kreativ vollziehen kann. Dadurch soll er seine kulturell abgefärbten Wahrnehmungen und Gedanken im deutschsprachigen Umfeld korrekt vermitteln können.

Ich verfasste vor kurzem eine Abhandlung über die Bedeutung und Wirkung des kreativen Schreibens auf japanische Deutschlernende(1). Nach dieser Schreibmethode wird mit Freude gern geschrieben, und bei ideenvollen kreativen Produkten stellen sich oft besonders problematische Aspekte klar heraus. Für solche herausgetretenen Probleme kann wiederum kreatives Schreiben sehr effektive Schreibanlässe als therapeutische Abhilfe anbieten. Im Anschluss an der letzten Abhandlung möchte ich diesmal konkret zeigen, welche kreativen „Therapien“ nach dieser Schreibmethode zu kulturell bedingten phonologisch-graphischen, grammatisch-syntaktischen, lexikalisch-semantischen und strukturellen Problemen jeweils entwickelt werden können.

 

(1) Die Abhandlung soll bald im Band 2 / Heft 1 von Neuen Beiträgen zur Germanistik erscheinen.

 

 

Themenbeschreibung

Konzepte der Landschaft in Ost und West

In Europa existiert seit dem Brief des italienischen Dichters und Humanist Petrarca über seine Besteigung des Mont Ventoux im Jahre 1326 ‚Landschaft' als ästhetisch betrachtete Natur, als ein von Arbeit und Praxis getrennter Bereich. Diesen ‚schönen Landschaften', Gegenstand etwa der romantischen Landschaftsmalerei eines Caspar David Friedrichs, stehen in der modernen westlichen Welt nicht nur die Landschaftszerstörungen, sondern auch die vielfältigen Konzepte der Landschaftsgestaltung, ja Landschaftsproduktion als Freizeit-, Industrie- und Stadtlandschaft gegenüber. Hier in Asien dagegen gelten traditionellerweise ganz andere Anschauungen der Landschaft als in Europa, etwa derart, dass Natur und Landschaft schon weitaus früher und auf ganz unterschiedliche Weise als ästhetische Gegenstände betrachtet wurden.

Zu den Gegenstandsbereichen des Kolloquiums sollen somit Reflexionen über Landschaftskonzepte vor allem in Ästhetik und Philosophie und über die Geschichte der malerischen und literarischen Landschaftsdarstellungen in Ost und West gehören. Aber auch gegenwartsbezogene Fragestellungen, die Landschaft im Spannungsfeld von ‚Natürlichkeit' und ‚Künstlichkeit' thematisieren oder Landschaft unter einem primär gestalterischen bzw. performativen Aspekt betrachten, etwa als Landschaftsarchitektur, Landschaftsplanung oder auch als Kultur- und Medienlandschaft, sollen vom Kolloquium aufgenommen werden. Die Stadt z.B. könnte man in diesem Zusammenhang als eine durchaus performative Landschaft betrachten, die die heterogensten Diskurse in verschiedenen Bereichen der Künste hervorgebracht hat und hervorbringt.

Darüber hinaus gibt es eine sehr weite Verwendungsweise von ‚Landschaft' in der Linguistik, der Sprachlehrforschung und dem Bereich Deutsch als Fremdsprache, z.B. als ‚Landschaft der Sprachverwendung', als ‚dialektale Landschaft' oder auch ganz konkret als Thematisierung der ‚Landschaft' im Deutsch- und Landeskundeunterricht.

Wie schon das 2002 durchgeführte Erste Internationale Kolloquium der Japanischen Gesellschaft für Germanistik (JGG) will auch das Zweite Kolloquium diese Fragestellung „Konzepte der Landschaft" vor allem in Berücksichtigung der jeweiligen kulturellen Standorte der Forschenden entwickeln. Dabei sind die asiatischen Perspektiven von besonderer Bedeutung, gerade weil spezifisch hier in Asien geprägte Landschaftsauffassungen, im Vergleich zu europäischen, grundlegende Einsichten in die unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten von Landschaft überhaupt bieten könnten.

Einige Stichwörter für mögliche Vortragsthemen lauten: Geschichte (z.B. Entstehung und Verfall) der Landschaft, Stadt- und Naturlandschaften, Landschaftsdarstellungen in Ost und West, Landschaftsformen: Gärten, romantische und utopische Landschaften, die Landschaft in der Kunst (z.B. im Wiener Aktionismus oder in den Visual und Performance Arts), Medienlandschaften, Semantik der Landschaft, dialektale Landschaften, kontrastive und komparative Analysen der Wortfelder von ‚Landschaft' im Deutschen, Japanischen und in anderen asiatischen Sprachen, Landschaft der Sprachverwendungen, Landschaft als soziale Situation und institutionelle Rahmenbedingung des Deutschunterrichts usw.